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Bericht von Pfarrer Erich Klamroth über das Kriegsende im Markusbezirk

aus der Chronik der Markusgemeinde

Nach meiner Rückkehr aus Frankfurt a/Oder habe ich am Sonntag, den 8. April, 9 Uhr vormittags den Gottesdienst in der Mittelstr. gehalten, es waren 102 Personen anwesend. Mittwoch den 18.4. hatte ich meine Frauenhilfe zusammen, wenn ich nicht irre im Luftschutzkeller in der Mittelstr. Sonnabend, den 21. April hielt ich Gottesdienst über Jes. 40,31. Es waren nur 29 Personen anwesend, von ihnen nahmen 12 am H. Abendmahl teil. In den nächsten Tagen war die Beschießung sehr stark. … Diese ganzen Tage war ich mit Frau Groesser [Gemeindesekretärin von Pfr. Klamroth] unterwegs, die uns nahestehenden Gemeindeglieder in ihren Kellern zu besuchen. Die Freude war jedesmal unbeschreiblich. Man musste auf der Straße sehr vorsichtig sein. Soweit es ging, hielt man sich in den Höfen und überquerte dann eine Straße im Laufschritt. Auf dem Wege zur Pumpe in der Ringstr. hat mancher sein Leben gelassen. Schräg gegenüber dem Gemeindehause war ein grosses Wasserbecken angelegt, das inzwischen längst wieder zugeschüttet ist. Es wurde schliesslich gestattet, von hier Wasser zu entnehmen. Manchmal ging dies glatt vonstatten, manchmal konnte es nur unter Beschuss geschehen. Auch der Gang zum Bäcker (solange dies noch möglich war) war jedesmal ein Wagnis. … Die meisten Menschen hielten sich nur noch im Keller auf. … Immerhin wurde es als eine grosse Befreiung empfunden, dass mit dem Beginn der Straßenkämpfe die Fliegerangriffe aufgehört hatten.

Sehr eindrucksvoll ist mir ein Gang mit Frau Groesser zu einer Kranken am 26. April geblieben. Es fiel kein Schuss und man sah keinen Menschen, alles war still. Plötzlich schauerte unterwegs Frau Groesser zusammen: „Hier ist es unheimlich, wir wollen nicht mehr weiter gehen“. … Wie wir dann später hörten, wären wir den Russen geradezu in die Arme gelaufen. An diesem Tage hatte ich die Abendandacht (6 Uhr, Jer. 21, 8; 10 Personen). Spät noch wurde ich zu einem Sterbenden gerufen, … Am 27. April mittags konnte man unten von der Bismarckstr. aus beobachten, wie oben an der Moltkestr. [heute Selerweg] die Russen sich vorsichtig über die Bismarckstr. hinüber zum Friedhof bewegten. …

Auch noch in der Zeit vom 27. bis 30. April 1945, als die sowjetischen Truppen schon in die Steglitzer Straßenzüge vordrangen, hielten Pfarrer Flemming und Pfarrer Koch noch Andachten und Gottesdienste in der Wohnung von Pfarrer Klamroth.

… In dieser Zeit wurde ich ohne mein Zutun einmal im Keller von den dort Versammelten, und zwar gerade von den Männern gebeten, eine Andacht zu halten. Ich tat dies sofort, natürlich ohne Vorbereitung. Ein oder zwei Tage später hat Bruder Flemming dasselbe getan. Am 1. Mai waren dann die Russen da; ich hielt um 6 Uhr die Andacht über die Tageslosung Ps. 30,7 f. An diesen und an späteren Tagen kamen abends viele Mädchen und junge Frauen, um in meiner Wohnung zum grossen Teil auf der Erde zu kampieren, und zwar aus Sicherheitsgründen. Am 3. Mai konnte ich wieder eine Beerdigung vollziehen, und zwar im Stadtpark. …

Zitiert aus: Frau Oehme, Handgeschriebene Chronik der Markusgemeinde mit Ergänzungen von Erich Klamroth, verfasst 1952 mit später fortlaufenden Einträgen, Ergänzung von Pfr. Klamroth zu S. 41, Archiv der Markusgemeinde Steglitz vor Ort.
Zerstörte Markuskirche, Innenansicht, Blick ins rechte Seitenschiff
Zerstörte Markuskirche, Innenansicht, Blick ins rechte Seitenschiff