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Arbeitsbericht der Gemeindehelferin Elfriede Böhm

aus der Chronik der Markusgemeinde

Auch wenn sich die Steglitzer Bekenntnissynode für die Taufe von Juden ausgesprochen hatte, waren nur wenige Pfarrer und Mitglieder der Bekennenden Kirche bereit, „nichtarische“ Gemeindeglieder im Rahmen des Gemeindelebens zu unterstützen. Es erforderte damals viel Mut, diesen Gemeindegliedern, die von der Gesellschaft völlig ausgegrenzt und von den Nationalsozialisten wie alle „Nichtarier“ ab 1941 in die Vernichtungslager deportiert wurden, zu helfen. In der Steglitzer Gemeinde waren einige Menschen dazu bereit: Im Markusbezirk kümmerten sich Pfarrer Klamroth und seine Gemeindesekretärin Frau Groesser gemeinsam um „nichtarische“ Gemeindeglieder. Außerdem betreute die Gemeindehelferin Elfriede Böhm in der Steglitzer Gemeinde nach 1933 Ehepaare, bei denen einer der Ehepartner „nichtarisch“ war. Aus ihrem Arbeitsbericht geht hervor, wie deutlich sie die bedrängte Lage dieser Familien wahrnahm:

… Welch ein namenloses, tiefes Leid nun tagtäglich auf diese Familien gelegt wurde, können nur die ermessen, die ein wenig Einblick in dieses still und stumm getragene Martyrium hatten. Das Grausamste war, daß dies alles in boshafter Heimlichkeit geschah, tropfenweise, aber in kältester und systematischer Weise. Oft hatte man den Eindruck, daß der Satan selbst dahinterstehe. Denn eine Untat übersteigerte die andere, und die Umwelt wußte und merkte wenig davon. Die Ärmsten waren ja auch verurteilt, nichts darüber verlauten zu lassen.

In diese Familien die kirchliche Botschaft zu bringen oder auch nur einen Funken wirklichen Trostes – das war eine schwere, kaum zu erfüllende Aufgabe, und wo sie Gehör fand, war es allein des Herrn Werk. Mancher evangelische Pfarrer hat sich – unter Gefährdung der eigenen Freiheit – mit großer Treue dieser Familien angenommen, sie mit Zuspruch und Hilfe getröstet und damit Stärkung und ein Fünklein Freude in die Herzen der Geächteten getragen. Die Betreuung dieser Familien geschah unter besonders schwierigen Umständen bis in die allerletzte Zeit des Sterntragens und Abgeholtwerdens. Aus Steglitz wurden die meisten von ihnen ausgewiesen und in anderen Wohnbezirken eng zusammengepfercht. Doch blieben sie dort, soweit es anging, nicht verwaist, sondern es wurde ihnen in seelsorgerlicher Fürsorge nachgegangen. Einige dieser Übriggebliebenen stehen noch heute in dankbarer Treue zu ihrem Bezirksgeistlichen. Andere haben – trotz geistlichen Zuspruchs – in ihrer Verzweiflung Selbstmord begangen. …

Zitiert aus: Arbeitsbericht von Fräulein Böhm, zitiert in: Frau Oehme, Handgeschriebene Chronik der Markusgemeinde mit Ergänzungen von Erich Klamroth, verfasst 1952 mit später fortlaufenden Einträgen, S. 12ff., Archiv der Markusgemeinde Steglitz vor Ort.