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Auszüge aus der Denkschrift „Zur Lage der deutschen Nichtarier“ (1935)

von Elisabeth Schmitz

Die Berliner Historikerin und Theologin Elisabeth Schmitz (1893-1977) beobachtete seit Beginn der NS-Herrschaft mit großer Sorge deren antijüdischen Aktionen. Sie war erschüttert darüber, wie die Juden diskriminiert, erniedrigt und schließlich in ihrer Existenz bedroht wurden. Im Hinblick auf die Steglitzer Bekenntnissynode und in der Hoffnung, den Blick der Synodalen auf die verzweifelte Situation der Juden und der „nichtarischen“ Christen zu lenken, schrieb sie im Sommer 1935 die Denkschrift „Zur Lage der deutschen Nichtarier“. Sie forderte die Bekennende Kirche darin eindringlich auf, Partei für die verfolgten Juden zu ergreifen. Ob die Denkschrift den Synodalen bei der Steglitzer Synode tatsächlich vorgelegen hat, gilt heute als ungewiss. Zwei Passagen aus ihrer Denkschrift werden im Folgenden vorgestellt:

… Vor nunmehr bald 2 ½ Jahren ist eine schwere Verfolgung hereingebrochen über einen Teil unseres Volkes um seiner Abstammung willen, auch über einen Teil unserer Gemeindeglieder. Die unsagbare äußere und wohl noch größere innere Not, die diese Verfolgung über die Betroffenen bringt, ist weithin unbekannt und damit auch die Größe der Schuld, die das deutsche Volk auf sich lädt. …

Gegen Ende ihrer Denkschrift fährt sie fort:

… Was soll man antworten auf all die verzweifelten, bitteren Fragen und Anklagen: Warum tut die Kirche nichts? Warum läßt sie das namenlose Unrecht geschehen? Wie kann sie immer wieder freudige Bekenntnisse zum nationalsozialistischen Staat ablegen, die doch politische Bekenntnisse sind und sich gegen das Leben eines Teiles ihrer eigenen Glieder richten? Warum schützt sie nicht wenigstens die Kinder? Sollte denn alles das, was mit der heute so verachteten Humanität schlechterdings unvereinbar ist, mit dem Christentum vereinbar sein?

Und wenn die Kirche um ihrer völligen Zerstörung willen in vielen Fällen nichts tun kann, warum weiß sie dann nicht wenigstens um ihre Schuld? Warum betet sie nicht für die, die dies unverschuldete Leid und die Verfolgung trifft? Warum gibt es nicht Fürbittegottesdienste, wie es sie gab für die gefangenen Pfarrer? Die Kirche macht es bitter schwer, sie zu verteidigen.

Menschlich geredet bleibt die Schuld, daß alles dies geschehen konnte vor den Augen der Christen, für alle Zeiten und vor allen Völkern und nicht zuletzt vor den eigenen künftigen Generationen auf den Christen Deutschlands liegen …

Zitiert aus: Elisabeth Schmitz, Zur Lage der deutschen Nichtarier, abgeschlossen Mitte Sept. 1935, mit einem Nachtrag vom 8. Mai 1936, abgedruckt in: Manfred Gailus (Hrsg.), Elisabeth Schmitz und ihre Denkschrift gegen die Judenverfolgung, Konturen einer vergessenen Biografie (1893-1977), Berlin 2008, S. 191-228.
Ein Schild verbietet den Eintritt für Juden in das Freibad Wannsee in Berlin, 1934. Mit einer Unzahl einzelner erniedrigender Verbote grenzten die Nationalsozialisten die Juden schon vor den Nürnberger Gesetzen immer weiter aus der Gesellschaft aus. Foto zur Verfügung gestellt von Scherl bzw. sz-photo
Ein Schild verbietet den Eintritt für Juden in das Freibad Wannsee in Berlin, 1934. Mit einer Unzahl einzelner erniedrigender Verbote grenzten die Nationalsozialisten die Juden schon vor den Nürnberger Gesetzen immer weiter aus der Gesellschaft aus. Foto