Link Startseite | Evangelische Markus-Kirchengemeinde Berlin-Steglitz
 
 
 
 

Bericht über die Synode

aus dem Brief des Vikars Gerhard Vibrans an seine Eltern, vom 27.9.1935

Gerhard Vibrans (1907-1942) gehörte wie auch Günther Keusch, ein späterer Markus-Pfarrer, zu den Vikaren des von Dietrich Bonhoeffer geleiteten Predigerseminars der Bekennenden Kirche in Zingst/Finkenwalde, die am 23. September 1935 mit Bonhoeffer zur „Steglitzer Synode“ nach Berlin anreisten. Bonhoeffer (1906-1945) war noch zu jung, um Synodaler zu sein, und versuchte zusammen mit seinem Predigerseminar als „pressure group“ auf die Entscheidungen der Synode Einfluss zu nehmen. Gerhard Vibrans teilte seine Eindrücke und Erlebnisse von dieser Synode in einem langen Brief an seine Eltern mit:

… Ihr werdet sicher überrascht gewesen sein, von mir aus Berlin eine Karte zu bekommen. Am Montag früh beim Kaffeetrinken hätte sich das auch keiner träumen lassen, daß er vom selben Tag bis Donnerstag abend in Berlin sein werde. Das kam aber so: Die Nachrichten über die Synode nahmen ernsten Charakter an, die Verlegung von Königsberg nach Berlin war nicht ohne Grund, ebenso die Verschiebung; … . Bonhoeffer fürchtete, die ganze Synode werde zu einem … Kompromiß [mit dem Staat] kommen, in der Judenfrage werde man überhaupt nichts wagen, und er beschloß, hinzufahren und seinen Einfluss geltend zu machen. … Einer der Brüder sagte, das Seminar könnte doch mitfahren. Bonhoeffer neigte sein Haupt und sprach ein leises Überlegen aus. Heftig und aufgeregt schrie alles durcheinander, Berlin wurde mit der Quasselstrippe befragt, und schon fuhren wir. Am Abend Eröffnungsgottesdienst. … Man hatte die kleine Markuskirche in Steglitz, die bald voll war. Rendtorff predigte sehr nüchtern und sachlich. …

Im Mittelpunkt von Vibrans Bericht steht das theologische Referat, das Pfarrer Heinrich Vogel aus Dobbrikow am ersten Haupttag der Synode hielt. Er stellte es unter das Wort „Die Freiheit der Gebundenen“, Matthäus 6,33. Im dritten großen Themenkomplex seines Referats ging es unter der Fragestellung „Wo gehen wir hin?“ um die Freiheit der Verkündigung, die Freiheit der Sakramentsverwaltung und die Freiheit der kirchlichen Ordnung.

In dem Abschnitt seiner Rede über die „Freiheit der Sakramentsverwaltung“ sprach sich Vogel für das Recht der Kirche aus, Juden zu taufen. Eigentlich hatte er auch über das christliche Liebesgebot gegenüber den Juden sprechen wollen. Das hatte ihm jedoch der Präses der Synode Koch verboten. Gerhard Vibrans gibt diesen Abschnitt von Vogels Rede folgendermaßen wieder:

… Taufe kann man dem ernstlich begehrenden Juden nicht verweigern. Wohl gibt es überall Heuchler, aber die Taufe beruht auf Befehl Christi. Sie begründet keinen weltlichen Anspruch, aber Erbschaft des Reiches Gottes, Gal. 5. Allzumal eins in Christo. Wer Judentaufe als Verrat an Christo anzeigt, lästert die heilige Taufe. Ich sage nur das Minimum, ach, vielleicht das nicht einmal. (Das „Ach“ war geseufzt). …

Gegen Ende des Briefes schätzt Vibrans diese Redepassage noch einmal ein:

… Vogel wollte in seinem Referat über die Judentaufe mehr, also bloß die Sakramente in Schutz zu nehmen, sagen, daß auch das Liebesgebot gegenüber dem Juden gilt. Koch drohte mit Rücktritt und restlosem Krach. Daher sagte Vogel nur: „Ich sage nur das Minimum, ach, vielleicht das nicht einmal.“ So kämpfte man nur um die Judentaufe. …

Zitiert aus: So ist es gewesen, Briefe im Kirchenkampf 1933-1942 von Gerhard Vibrans, aus seinem Familien- und Freundeskreis und von Dietrich Bonhoeffer, hrsg. von Dorothea Andersen, geb. Vibrans, Gerhard Andersen, Eberhard Bethge und Elfriede Vibrans, München 1995, S. 201-209.