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Werner Ruge (8. Mai 1893 – 24. Oktober 1914)

Lebensgeschichte nach Dokumenten aus dem Archiv einer Steglitzer Familie

Wir wissen heute fast nichts mehr über die Lebensgeschichten und Schicksale der Gemeindeglieder aus dem Markusbezirk, die als Soldaten im Ersten Weltkrieg fielen und deren Namen 1921 in die Marmorwände der Gedächtnishalle eingemeißelt wurden. Hier soll stellvertretend für viele andere der Steglitzer Werner Ruge, dessen Lebensgeschichte im Familienarchiv seines Neffen Dr. Henning Fischer gut dokumentiert ist, vorgestellt werden:

Werner Ruge wurde als Jüngster von sechs Geschwistern am 8. Mai 1893 geboren. Er wuchs in der Beymestraße 18 in Steglitz in einem Haus mit großem Garten auf. Da sein Vater Max Ruge kurz nach seiner Geburt starb, war er seiner Mutter besonders ans Herz gewachsen. Er besuchte das Steglitzer Gymnasium, und nach seinem Abitur studierte er ab Ostern 1913 Jura – zunächst in Berlin und ab Ostern 1914 zusammen mit seinem Freund Werner Kirstaedter in Tübingen.

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, meldete sich Werner Ruge als 21jähriger wie viele junge Männer seiner Zeit begeistert als Kriegsfreiwilliger – in dem Wunsch, das Vaterland zu verteidigen. Nach einer nur achtwöchigen Ausbildungszeit als Infanterist, also als Fußsoldat, wurde er zusammen mit seinen beiden Freunden Zipfel und Günther Koeppe dem Reserve-Regiment 206 zugeteilt und am 13. Oktober 1914 an die Front der ersten Flandernschlacht geschickt. Diese stand im Zusammenhang mit der Strategie der deutschen Führung, mit einem Angriff auf das neutrale Belgien unter Umgehung der französischen Festungen nach Frankreich vorzudringen. Im Verlauf dieser Schlacht vom 20. Oktober bis 18. November 1914 fielen auf beiden kriegsführenden Seiten insgesamt über 200.000 Soldaten.

Nach zweitägiger Bahnfahrt und vier anstrengenden Tagesmärschen mit schwerem Gepäck erreichte Werner Ruge mit seiner Kompanie den Frontbereich zwischen Nieuwpoort und Diksmuide, nahe der belgischen Küste. Obwohl die jungen Soldaten noch unzureichend ausgebildet waren, wurden sie sofort in die Schützengräben und in den Kampf geschickt. Am 21. Oktober schrieb Werner Ruge seiner Mutter in seinem letzten Feldpostbrief noch hoffnungsfroh über seine „Feuertaufe“. Drei Tage später überschritt seine Kompanie den Yserkanal. Bei einem Angriff der Kompanie auf die gegnerischen Truppen wurde Werner Ruge nachmittags um halb vier von einer Kugel getroffen. Die näheren Umstände von Werner Ruges Tod sind aus dem Brief seines Freundes Günther Koeppe vom 22. November 1914 zu entnehmen, in dem er die Todesnachricht an die Familie Ruge übermittelte: Günther Koeppe hatte unmittelbar miterlebt, wie sein Freund Werner aus dem Lauf heraus plötzlich auf der Chaussee zusammenbrach. Eine Kugel hatte seinen Unterleib durchbohrt. Günther Koeppe brachte den Schwerverwundeten, der unter schrecklichen Schmerzen litt, mit Hilfe weiterer Soldaten aus der Kampfzone über den Yserkanal zurück. Erst nach Einbruch der Dunkelheit konnte der Schwerverletzte von Krankenträgern auf einer Bahre zum Verbandsplatz gebracht werden. Dort starb er noch in derselben Nacht. Am nächsten Morgen wurde er beerdigt. Das Holzkreuz auf seinem Grab trug die Inschrift: „Hier ruht der Freiwillige Nr. 143, 12/206. Er starb den Heldentod für das Vaterland.“

Am Ende seines Berichts teilte Günther Koeppe noch in knappen Worten mit, dass Werner Ruges Freund Zipfel in der Zwischenzeit verwundet worden und sein Freund Werner Kirstaedter ebenfalls gefallen war.

Die Familie Ruge erfuhr die Todesnachricht erst durch diesen Brief etwa einen Monat nach Werners Tod. Bis dahin hatte sie ihm – in dem Glauben und der Hoffnung, er lebe noch – Briefe und Päckchen an die Front geschickt.

Quellen: Brief von Günther Koeppe vom 22.11.1914 an Gertrud Ruge (Schwester von Werner Ruge) Gedruckte Gedächtnisschrift von Rudolf Nitzsch (Schwager von Werner Ruge): „Zur Erinnerung an Werner Ruge, stud. jur., der als erster Ruge Oktober 1914 im Kampf um Deutschlands Größe fiel.“ Beide Dokumente befinden sich im Familienarchiv von Dr. Henning Fischer.

Verehrung gefallener Soldaten als Helden

Werner Ruge (8. Mai 1893 – 24. Oktober 1914). Foto zur Verfügung gestellt von Henning Fischer
Werner Ruge (8. Mai 1893 – 24. Oktober 1914). Foto zur Verfügung gestellt von Henning Fischer
Detail aus der Gedächtnishalle, Ausschnitt aus einer der Marmortafeln mit Namen gefallener Gemeindeglieder, darunter auch der von Werner Ruge, 2012. Foto: Friedhelm Hoffmann
Detail aus der Gedächtnishalle, Ausschnitt aus einer der Marmortafeln mit Namen gefallener Gemeindeglieder, darunter auch der von Werner Ruge, 2012. Foto: Friedhelm Hoffmann